Neue Rechtsprechungsübersicht

Im Heft 1/2025 der Betreuungsrechtlichen Praxis (BtPrax) finden Sie auf den Seiten 5 bis 10 den neuen Berichtsaufsatz zum Betreuungsrecht. Er skizziert die seit Anfang 2024 veröffentlichte Rechtsprechung zum Betreuungsrecht. Im Fokus der Rechtsprechung standen im abgelaufenen Berichtszeitraum Fragen zur Suspendierung einer Vorsorgevollmacht sowie zu den Voraussetzungen für die Genehmigung ärztlicher Zwangsmaßnahmen.

Dort finden sich auch Entscheidungen zum Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG). Im Einzelnen werden u.a. Entscheidungen zur Zulässigkeit einstweilger Rechtsschutzbegehren von Betreuungsvereinen auf eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Nach dem VerwG Köln, BtR 2024, 113 kann der Widerruf nach § 27 BtOG bei einem so genannten Bestandsbetreuer grundsätzlich auch auf Sachverhalte vor seiner Registrierung gestützt werden. Vor einem Widerruf ist dem beruflichen Betreuer rechtliches Gehör zu den Widerrufsgründen und Gelegenheit zu geben, das beanstandete Verhalten abzustellen. Ist das Fehlen der Zuverlässigkeit festgestellt, hat der Widerruf zwingend zu erfolgen, da mildere Mittel gesetzlich nicht vorgesehen sind, so Hess. VGH FamRZ 2025, 227 (Ls.). Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens. Für den Umstand, dass ein Vermögensverfall nicht vorliegt, ist der berufliche Betreuer darlegungs- und beweispflichtig, vgl. für den ähnlich gelagerten Fall der Zulassung als Rechtsanwalt AGH NRW, Urteil vom 20.09.2024 – 1 AGH 24/24.


Berichtet wird aus dem Bereich der Unterbringung u.a. zu dem auf Vorlage des BGH durch das BVerfG ergangenen Urteil zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Kopplung der ärztlichen Zwangsbehandlung betreuter Personen an den Ort eines Krankenhauses, veröffentlicht u.a. in NJW 2025, 144, FamRZ 2025, 202, BtPrax 2025, 21. Insoweit hatte der BGH im November 2023 die Frage vorgelegt, ob die strikte Koppelung der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen an einen stationären Krankenhausaufenthalt in § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB verfassungskonform ist . Der zuständige Senat zeigte sich davon überzeugt, dass es mit der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist, diese strikte Koppelung auch für Fallgestaltungen vorzuschreiben, bei denen der Betroffene aus medizinischer Sicht, etwa im Wege einer stationsäquivalenten Behandlung, gleichermaßen in der von ihm bewohnten Einrichtung, in der seine gebotene medizinische Versorgung einschließlich etwaiger Nachbehandlung sichergestellt ist, zwangsbehandelt werden kann, wenn sie durch die Verbringung in ein Krankenhaus zur Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Die in § 1832 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-6 BGB stellten ausreichende Schutzmechanismen, um dem Ultima Ratio Gebot zu entsprechen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in diesem Verfahren am 16. Juli 2024 um 10.00 Uhr eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Zum Inhalt der mündlichen Verhandlung siehe den weiteren Beitrag dazu auf dieser Seite. Zu dem Urteil kann ich auch die Besprechungen von Richterin am AG Annette Loer, BtR 2025, Seiten 1 bis 9, Richter am OLG Dr. Jörg Kraemer, NJW 2025, Seiten 124 bis 127, und Prof. Angie Schneider, FamRZ 2025, Seiten 216 und 217 sowie die Urteilsanmerkungen von Dr. Christoph Leo Gehrling, beck-online, FD-MedizinR 2025, 8020,86, Richter am Amtsgericht Thorsten Lange, NZFam 2025, Seite 54 und Andreas Brilla, Redaktion beck-aktuell, Becklink 2032635, hinweisen.


Aus dem materiellen Betreuungsrecht sind Entscheidungen zur Suspendierung einer Vollmacht nebst Herausgabeanordnung erwähnenswert. Eine Suspendierung setzt nach § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB, die dringende Gefahr voraus, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person oder das Vermögen des Vollmachtgebers erheblich gefährdet. Ob das der Fall ist, ist anhand einer rückblickenden Betrachtung des bisherigen Verhaltens des Bevollmächtigten sowie einer Prognose seines zukünftigen Verhaltens zu entscheiden. Bei der Prognose sind die weiteren gerichtlichen Maßnahmen zu berücksichtigen. Ordnet das Gericht zugleich eine Betreuung oder Kontrollbetreuung an, setzt die Suspendierung der Vollmacht die begründete Besorgnis voraus, dass der Bevollmächtigte künftig trotzdem nicht den Wünschen und Interessen des Betroffenen entsprechend handelt. Das ist der Fall, wenn zu erwarten ist, dass er den Weisungen des (Kontroll-)Betreuers nicht folgen wird (BGH, FamRZ 2024, 1815). Bei dringendem Verdacht auf Fälschung der Vorsorgevollmacht, soll eine Suspendierung der Vollmacht in analoger Anwendung des § 1820 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB in Betracht kommen (AG Elmshorn, BtPrax 2024, 73 (Ls.), eine Analogie ist aber m.E. unnötig. Nach einer neuen Entscheidung (LG Lübeck, NJW-RR 2025, 7), die in der Rechtsprechung und Literatur nicht unumstritten ist, soll eine Sparkassenvollmacht mangels Vorsorgecharakter nicht dem Regelungsbereich des § 1820 Abs. 4 BGB unterfallen.


Eine große Anzahl veröffentlichter Entscheidungen betrifft das Vergütungsrecht. So hat der BGH entschieden, dass ein Betreuerwechsel ohne Unterbrechung der Betreuung generell nicht zu einem Neubeginn der Betreuung im vergütungsrechtlichen Sinn führt. Bedeutsam ist auch eine Entscheidung des BGH dazu, wann eine Einrichtung den Begriff einer stationären Einrichtung im vergütungsrechtlichen Sinne erfüllt. Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung erachtet der BGH sie als generell erfüllt, wenn es sich um Einrichtungen handelt, die den Begriff eines Heims i.S.d. früheren Heimgesetzes erfüllen. Darunter fallen die Wohnformen nach § 42 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, die an die Stelle der bis 2019 bestehenden stationären Einrichtungen in der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII getreten sind. Das dürfte in Fällen nicht rechtskräftiger Festsetzung der Vergütung zu Rückforderungsansprüchen der Staatskasse führen. Ist im Einzelfall zweifelhaft in welcher Wohnform der Betroffene lebt, ist entscheidend, ob der Betreute in einer Einrichtung lebt, die ihm die Möglichkeit gibt, auf einen professionellen Organisationsapparat mit umfassender Betreuung und Versorgung – hier Fachleistungen der Eingliederungshilfe – zurückzugreifen. Dann liegt eine Wohnform in einer stationären Einrichtung bzw. einer ihr gleichgestellter Wohnform vor. Sie nimmt dem Betreuer nämlich die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen ab.

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