Neue Rechtsprechungsübersicht Juli 2025
Im Heft 37/2025 der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) finden Sie auf den Seiten 2662 – 2668 den neuen Berichtsaufsatz zum Betreuungsrecht. Er skizziert die seit Juli 2024 veröffentlichte Rechtsprechung zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht. Im Fokus der Rechtsprechung standen im abgelaufenen Berichtszeitraum Fragen aus dem Bereich der Unterbringungen, hier insbesondere der Inhalt der Beschlussformel und die ausreichende Darlegung der Unterbringungsvoraussetzungen, aber auch Fragen zu ärztlichen Zwangsmaßnahmen.
Für das Betreuungsverfahren bedeutsam ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur fortdauernden Zuständigkeit deutscher Gerichte, wenn die betroffene Person ins Ausland verbracht wird und dort für deutsche Gerichte, auch im Wege der internationalen Rechtshilfe nicht mehr erreichbar ist. Nach der in NJW-RR 2025, 961ff. abgedruckten Entscheidung bleibt ein deutsches Gericht – unter Fortgeltung deutschen Rechts – nach § 104 FamFG während eines Betreuungsverfahrens auch nach Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltes von Deutschland in einen Nichtvertragsstaat des ESÜ (vorliegend Polen) international zuständig.
In Unterbringungsverfahren sind mehrere Entscheidungen des BGH zu den Anforderungen an den Inhalt der Beschlussformel hervorzuheben. Danach muss sie den Typus der Unterbringungseinrichtung hinreichend genau bezeichnen, da für die Unterbringung einer betroffenen Person grds. mehrere Einrichtungsarten mit unterschiedlichen Strukturen und Eingriffsintensitäten in Betracht kommen. Anders als die Bestimmung der konkreten Einrichtung, kann die Wahl der Einrichtungsart nach Auffassung des BGH nicht dem Betreuer überlassen bleiben. Soll sich die Genehmigung bzw. Anordnung auf mehrere Einrichtungsarten erstrecken, ist für jeden gewählten Einrichtungstypus die Erforderlichkeit der dortigen Unterbringung zu begründen.
Ähnlich verhält es sich für Entscheidungen im Bereich ärztlicher Zwangsmaßnahmen. Hier verlangt der BGH für den Inhalt der Beschlussformel eine möglichst genaue Angabe des jeweiligen Medikaments oder Wirkstoffs, der (Höchst-)Dosierung und Verabreichungshäufigkeit. Dies ist in Hinblick auf den Schutz der untergebrachten Person, aber auch zur hinreichenden Verdeutlichung der Befugnisse für das (zwangs-)behandelnde ärztliche Personal nach meiner Auffassung eine wichtige Klarstellung.
Aus dem materiellen Betreuungsrecht ist Entscheidung zum Betreuungsbedarf erwähnenswert. In dem in NJW 2025, 2483ff., veröffentlichten Beschluss legt der BGH einen ähnlichen Maßstab wie im Rahmen der Entscheidungen zur Unbetreubarkeit an. Demzufolge kann bei einer betroffenen Person mit unbekanntem Aufenthaltsort nach Ausschöpfung aller sonstigen Erkenntnismöglichkeiten auch ohne Kenntnis von der gegenwärtigen Lebenssituation eine Betreuerbestellung erfolgen, wenn der Betreuer trotzdem durch rechtliche Entscheidungen einen für diesen positiven Einfluss nehmen kann oder sich aufgrund der bisherigen Kenntnisse zur Lebenssituation anzunehmen ist, dass ein konkreter Betreuungsbedarf besteht, wenn der Betroffene zurückkehrt oder sein Aufenthalt ermittelt wird.
Dagegen rechtfertigen krankheitsbedingte Beeinträchtigungen, die die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Betroffenen in Hinblick auf die selbstständige Erledigung der eigenen rechtlichen Angelegenheiten nicht erheblich beeinträchtigen, keine Betreuerbestellung. So zu Recht das LG Regensburg, abgedruckt in der FamRZ (Zeitschrift für das gesamte Familienrecht) 2025, 974ff.
Gegenstand vieler höchstrichterlicher Entscheidungen ist immer wieder auch die Frage, ob eine Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers entgegensteht. Hier hat der BGH – aufbauend auf früherer Rechtsprechung – zwei wichtige Grenzziehungen vorgenommen:
Nach der in NJW-RR 2025, 386f. abgedruckten Entscheidung obliegt es den Gerichten im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes die Wirksamkeit einer die Betreuerbestellung vermeidenden Vollmacht zu prüfen und Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers von Amts wegen aufzuklären sowie Unklarheiten, Zweifeln und Widersprüchen nachzugehen. Dies hat der BGH in einem noch nicht veröffentlichten Beschluss vom 28.05.2025, Az. XII ZB 65/25, noch dahingehend verstärkt, dass eine erteilte Vollmacht nur dann nicht einer Betreuerbestellung entgegen steht, wenn die Unwirksamkeit der Vollmacht positiv festgestellt werden kann.
Solange für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen zumindest eine geeignete und wirksam einzelvertretungsberechtigte Person zur Verfügung steht, kommt die Bestellung eines Betreuers im Aufgabenbereich der Vollmacht nicht in Betracht. Zugrunde lag dem Beschluss ein Sachverhalt, wonach die betroffene Person mehrere Personen gleichrangig bevollmächtigt hatte, eine von ihnen aber ungeeignet war. In Hinblick auf die ungeeignete Person ist zunächst ein Bedarf für die Bestellung eines Kontrollbetreuers zu bejahen und ggf. ein auf ihn beschränkter Teilwiderruf der Vollmacht ins Auge zu fassen. Die Entscheidung ist u.a. in der FamRZ 2024, 1576ff., abgedruckt.
Aus dem materiellen Unterbringungsrecht lässt sich u.a. berichten, dass der BGH immer wieder Veranlassung sieht, zu rügen, wie wenig die Instanzgerichte die Unterbringungsvoraussetzungen an Hand eines ausreichend konkretisierten Sachverhaltes darlegen. Ohne nähere Feststellungen zur konkreten Art der befürchteten selbstschädigenden Handlungen und den konkreten Auswirkungen eines krisenhaften Krankheitsschubes bestehen demnach keine genügenden Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschaden, der ohne Unterbringung drohen könnte. Die in der gerichtlichen Praxis häufig zu findenden Floskeln der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit drohenden Nichteinnahme der Medikation, der drohenden Verwahrlosung des Betroffenen im häuslichen Umfeld, der Verschlechterung der Erkrankung oder der Gefährdung im Straßenverkehr mangels ausreichender Orientierung und/ oder ausreichendem Risikobewusstsein besagen nichts über eine konkret bestehende erhebliche Gesundheitsgefährdung bzw. die Möglichkeit, Gefährdungen mit milderen Mitteln abzuwenden. Auch die Erwägungen, dass die betroffene Person vor der Unterbringung eigenmächtig die Medikamente abgesetzt hatte, keinerlei Körperhygiene betrieb und neben das WC urinierte, belegen nach der in der BtPrax (Betreuungsrechtliche Praxis) 2025, 100f., veröffentlichten Auffassung des BGH keine so gravierende Verwahrlosung oder Unterversorgung, dass ihr nur mit einer Unterbringung begegnet werden kann .
Eine große Anzahl veröffentlichter Entscheidungen betrifft das Vergütungsrecht. So hat der BGH entschieden, dass ein Betreuerwechsel ohne Unterbrechung der Betreuung generell nicht zu einem Neubeginn der Betreuung im vergütungsrechtlichen Sinn führt. Bedeutsam ist auch eine Entscheidung des BGH dazu, wann eine Einrichtung den Begriff einer stationären Einrichtung im vergütungsrechtlichen Sinne erfüllt. Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung erachtet der BGH sie als generell erfüllt, wenn es sich um Einrichtungen handelt, die den Begriff eines Heims i.S.d. früheren Heimgesetzes erfüllen. Darunter fallen die Wohnformen nach § 42 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, die an die Stelle der bis 2019 bestehenden stationären Einrichtungen in der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII getreten sind. Das dürfte in Fällen nicht rechtskräftiger Festsetzung der Vergütung zu Rückforderungsansprüchen der Staatskasse führen. Ist im Einzelfall zweifelhaft in welcher Wohnform der Betroffene lebt, ist entscheidend, ob der Betreute in einer Einrichtung lebt, die ihm die Möglichkeit gibt, auf einen professionellen Organisationsapparat mit umfassender Betreuung und Versorgung – hier Fachleistungen der Eingliederungshilfe – zurückzugreifen. Dann liegt eine Wohnform in einer stationären Einrichtung bzw. einer ihr gleichgestellter Wohnform vor. Sie nimmt dem Betreuer nämlich die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen ab.
Außerhalb der Berichterstattung in der NJW ist noch darauf hinzuweisen, das dass Landesregierung von Nordrhein Westfalen von der Ermächtigung des § 292 Abs. 6 FamFG Gebrauch gemacht hat, sodass berufliche Betreuer ab 01.07.2026 ihre Betreuervergütung nur noch online mittels eines amtlichen Formulars beantragen können. Dazu siehe: Verordnung zur Verwendung eines Formulars für den Antrag auf Vergütung in Betreuungssachen im Land NRW (Betreuungsvergütungsformularverordnung – BeVeFoVO)
vom 06.08.2025.