Rechtsprechung zur Notwendigkeit persönlicher Anhörungen in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren während der Corona Pandemie
Nachdem zunächst Entscheidungen von Amtsgerichten bekannt geworden waren, wonach der Verzicht auf eine persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes durch den Richter möglich ist, haben zunächst mehrere Landgerichte dieser Rechtsauffassung zurecht eine Absage erteilt.
Inzwischen hat der BGH in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass auch in Zeiten der Corona Pandemie in einem Betreuungsverfahren nur unter den engen Voraussetzungen des §§ 278 Abs. 4 i.V.m. 34 Abs. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden kann. Die in diesem Paragrafen vorgesehenen Voraussetzungen sind nicht schon dadurch erfüllt, dass dem anhörenden Richter und sonstigen an der Anhörung zu beteiligenden Personen Gesundheitsschutz gewährleistet werden soll. Der BGH weist nämlich darauf hin, dass es ausreichend weitergehende Möglichkeiten gibt, den Richter und die beteiligten Personen in ihrer Gesundheit zu schützen. Darüber hinaus hat der BGH verlangt, dass – wie im Gesetz vorgesehen – vor dem Absehen von einer Anhörung die Gefährdungslage durch ein Gutachten abgeklärt und bestätigt werden muss.
Im Einzelnen handelt es sich um die Entscheidungen des BGH vom 14.10.2020 – XII ZB 235/20, veröffentlicht in NJW 2021, 71; vom 18.11.2021 – XII ZB 179/20, veröffentlicht in NJW-RR 2021, 386 und vom 24.02.2021 – XII ZB 503/20, veröffentlicht in NWB 2021, 960 (Ls.).
In einer weiteren Entscheidung hat der BGH zusätzlich darauf verwiesen, dass die Möglichkeit nach § 34 Abs. 2 FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen, das Gericht nicht davon entbindet, sich einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen, vergleiche Beschluss vom 04.11.2020 – XII ZB 344/20, veröffentlicht in FamRZ 2021, 224.
Zu den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der zwingenden Notwendigkeit einer vorherigen persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindruckes vom Betroffenen siehe auch meinen Aufsatz in Heft 3 der Betreuungsrechtlichen Praxis (BtPrax) 2020, dort Seite 79 ff.
Richtern ist im konkreten Einzelfall auch der Zutritt zu Kliniken, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Wohngemeinschaften gestattet, vgl. z.B. § 2 Abs. 1 Coronaschutzverordnung NRW.